Das OVG Bremen hatte in 15 Fällen über Schulzuweisungen in die fünfte Jahrgangsstufe der Oberschulen oder Gymnasien von im Aufnahmeverfahren erfolglos gebliebenen Schülerinnen und Schülern zu entscheiden.

Das Bremische Schulverwaltungsgesetz gibt den Erziehungsberechtigten das Recht, nach dem Besuch der Grundschule innerhalb der Stadtgemeinde die Schule auszuwählen, die ihr Kind besuchen soll. Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen an einer Schule deren Aufnahmefähigkeit, ist ein im Bremischen Schulverwaltungsgesetz näher geregeltes Aufnahmeverfahren durchzuführen. Das Aufnahmeverfahren erfolgt danach in mehreren Stufen. Vorab werden bis zu 10% der zur Verfügung stehenden Plätze an Schülerinnen und Schüler vergeben, für die die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde. An den Gymnasien erfolgt die Vergabe im Weiteren vorrangig nach Leistungskriterien (Leistung nach Lernentwicklungsbericht "über dem Regelstandard"); verbliebene Plätze werden an die anderen Bewerberinnen und Bewerber vergeben. An den Oberschulen erfolgt die Vergabe im Weiteren vorrangig danach, ob die Schülerinnen und Schüler eine der regional zugeordneten Grundschulen besucht haben. Innerhalb dieses Bewerberkreises dürfen bis zu einem Drittel der Schulplätze ebenfalls vorrangig nach Leistung vergeben werden. Übersteigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler auf den einzelnen Stufen des Aufnahmeverfahrens die Zahl der jeweils zur Verfügung stehenden Plätze, entscheidet das Los. Das Oberverwaltungsgericht musste in diesem Jahr in 15 Fällen über die Rechtsschutzanträge von im Aufnahmeverfahren erfolglos gebliebenen Schülerinnen und Schüler entscheiden. Die beim Oberverwaltungsgericht anhängigen und jetzt abgeschlossenen Beschwerdeverfahren verteilten sich auf sechs Schulen.
An drei Schulen (Gesamtschule West, Kippenberg-Gymnasium und Oberschule Am Barkhof) stand dabei die Anwendung der sog. Geschwisterkindregelung im Vordergrund, d.h. es ging darum, unter welchen Voraussetzungen Geschwisterkinder vorab als Härtefälle aufzunehmen sind. Im Bremischen Schulverwaltungsgesetz heißt es dazu, dass eine besondere Härte insbesondere anzunehmen ist, wenn ein Geschwisterkind bereits dieselbe Schule besucht und die Versagung der Aufnahme "zu familiären Problemen führen würde". Das Oberverwaltungsgericht führt dazu aus, dass es sich bei der Geschwisterkindregelung nach der Konzeption des Gesetzes – wie insgesamt bei der Härtefallregelung – um eine Entscheidung im Einzelfall handelt. Die "familiären Probleme", die das Gesetz ausdrücklich als Härtekriterium benennt, sind von den Erziehungsberechtigten im Aufnahmeverfahren innerhalb der dafür vorgesehenen Frist darzulegen und glaubhaft zu machen. Im Beschwerdeverfahren hatte die Schulbehörde sich auf den Standpunkt gestellt, dass in Bezug auf Familien mit drei und mehr Kindern ohne weitere Prüfung stets von einem Härtefall auszugehen sei. Der Umstand, dass die Kinder anderenfalls drei oder mehr verschiedene Schulen oder Kindertageseinrichtungen besuchen müssten, genüge für die Anerkennung als Härtefall.

Die Eilanträge waren vor dem OVG Bremen teilweise erfolgreich.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes entspricht ein solches Absehen von der Einzelfallprüfung nicht dem Gesetz. Die Lebensverhältnisse seien auch bei Familien mit drei und mehr Kindern vielgestaltig. Eine pauschale Anerkennung von Härtefällen lasse das Gesetz nicht zu. Hieran habe auch die Neufassung des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes vom 24.03.2015, die u.a. die Geschwisterkindregelung zum Gegenstand hatte, nichts geändert. Ein in den parlamentarischen Beratungen gestellter Antrag, in solchen Fällen – ohne weitere Prüfung des Einzelfalls – von einem Härtefall auszugehen, sei von der Bremischen Bürgerschaft mit Mehrheit abgelehnt worden.

An den drei genannten Schulen seien nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Geschwisterkinder als Härtefälle anerkannt worden, obwohl Einzelumstände, aus denen sich familiäre Probleme ergeben könnten, nicht dargelegt worden seien. Durch diese rechtswidrige Vorabaufnahme wurde die Zahl der im weiteren Aufnahmeverfahren zur Verfügung stehenden Schulplätze rechtswidrig verkürzt. Die Erziehungsberechtigten von im Aufnahmeverfahren erfolglos gebliebenen Schülerinnen und Schülern bräuchten, wie das Oberverwaltungsgericht weiter ausführt, diese rechtswidrige Verkürzung nicht hinzunehmen. Sie könnten im gerichtlichen Verfahren einen Aufnahmeanspruch durchsetzen. Mehrere Beschwerden seien aus diesem Grund erfolgreich gewesen. Sei einem Härtefallantrag im Aufnahmeverfahren zu Unrecht stattgegeben worden, sei der vorenthaltene Platz an dasjenige Kind zu vergeben, das unter den Antragstellern im gerichtlichen Eilverfahren über die beste Wartelistenplatzierung verfüge.

In Bezug auf das Gymnasium Hamburger Straße hatte das Oberverwaltungsgericht sich mit der Klassenstärke an dieser Schule zu befassen. Für die Jahrgangsstufen 5 bis 9 der Gymnasien sei in der Bremischen Aufnahmeverordnung eine Klassenstärke von 30 Schülerinnen und Schülern festgesetzt. Die Schulbehörde habe die Klassenstärke für das Gymnasium Hamburger Straße unter Berufung auf die beengten räumlichen Verhältnisse an der vierzügigen Schule auf 28 Schülerinnen und Schüler abgesenkt. Diese Absenkung ist vom Oberverwaltungsgericht als nicht nachvollziehbar eingestuft worden, u.a. weil mindestens 12 der Klassenräume, die den Jahrgangsstufen 5 bis 9 zur Verfügung stehen, über 72 qm groß sind.

Quelle: Pressemitteilung des OVG Bremen v. 12.09.2017

September 2017